Wie groß ist ‚zu groß’?

Sinnvolle Mittelverwendung bei klammen öffentlichen Haushalten

Der Dissens um Stuttgart 21 hat einen Streit um BürgerInnenbeteiligung bei öffentlichen Ausgaben ausgelöst: Die eine Seite behauptet, das Hinterfragen von extrem teuren Großprojekten auf ihren realen Nutzen und das Beharren auf die Klärung wichtiger Detailfragen stelle die Handlungsfähigkeit unseres politisch-wirtschaftlichen Systems in Frage. Andererseits fordert eine aufgeklärte, interessierte BürgerInnenschaft mehr Partizipation ein und will sich nicht von selbsternannten „Experten“ bevormunden lassen.

Die Grundpositionen und die zentrale Frage dieser Auseinandersetzung sind wohl auf nahezu alle Städte in Deutschland übertragbar: Welche ist die beste Verwendung der knappen öffentlichen Mittel?

Auch in Halle gibt es einige Beispiele, bei denen sehr viel Geld mit unseres Erachtens zweifelhaftem Nutzen und unzureichender Planung in Einzelvorhaben gesteckt wurde. Zuvorderst ist hier die „Erschließung“ des Industriegebiets an der A14 zu nennen, in das bis zum Ende der aktuellen Maßnahmen wohl fast 80 Millionen Euro öffentliche Mittel geflossen sein werden – ohne dass ein Investor in Sicht wäre. Auch das Fußballstadion wird sehr viel teurer saniert als notwendig. Gleichzeitig wird bei den freiwilligen Leistungen wie den Zuschüssen für die kleinen Vereine und Verbände aus Kultur, Sport und Sozialem leichterhands gekürzt. Die bündnisgrüne Ratsfraktion vertritt die Position: Es ist sinnvoller, viele jener kleinen Probleme zu lösen, die vor Ort, auf Straßen, Spielplätzen oder in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen konkret erfahrbar sind, um so für die betroffenen BürgerInnen spürbare Verbesserungen zu erzielen. Megaprojekte sollten, wie beispielsweise in der Schweiz schon lange üblich, auch in Deutschland zum Gegenstand von BürgerInnenentscheiden gemacht werden. Zudem dürfen wir auch die Kosten von vielen, vermeintlich „kleinen“, aber in der Summe doch sehr teuren, Projekten nicht aus den Augen verlieren. Denn auch der Nutzen eines Projektes wie des vierspurigen Ausbaus des Gimritzer Damms ist zweifelhaft, solange stärker beschädigte Straßen und der städtische Gebäudebestand zunehmend verfallen.

Eine kritische Gesinnung, das genaue Hinsehen und Nachrechnen, ruiniert nicht gleich den Industriestandort Deutschland. Wir alle sind vielmehr – allen Unkenrufen zum Trotz – auf jeden Fall besser dran, wenn wir uns immer wieder und in jedem Fall genau fragen: „Muss das so (teuer) sein?“

Amtsblatt der Stadt Halle (Saale) vom 20.10.2010