JVA, Bäume, Verpackungssteuer, Cannabis: Das war der März-Stadtrat

Am Mittwoch tagte der hallesche Stadtrat – und es war einiges los. Zwischen feierlichen Momenten, hitzigen Debatten und kontroversen Abstimmungen war diese Sitzung ein echter Ritt durch die kommunalpolitische Themenlandschaft.

Den Anfang machten bewegende Worte und eine Formalie mit großer Bedeutung: Stadtratsvorsitzender Jan Riedel dankte Egbert Geier für sein Engagement in den vergangenen Jahren und würdigte seine Arbeit als Vertreter des Oberbürgermeisters. Danach wurde das Ergebnis der Oberbürgermeisterwahl offiziell bestätigt, anschließend wurde Dr. Alexander Vogt vereidigt und mit Amtskette ins Amt eingeführt. Nach vier Jahren ist der Platz des Oberbürgermeisters in den Sitzungen nun wieder besetzt.

Nach der Einwohnerfragestunde wurde es politisch – und zwar richtig.

JVA Tornau: Kaltluft, Kritik, Kompromisse

Eines der meistdiskutierten Themen – und eines der umstrittensten der letzten Monate: Der geplante Neubau einer Justizvollzugsanstalt im Stadtteil Tornau. Fast eine Stunde debattierte der Stadtrat über den Bebauungsplan Nr. 217, der die Grundlage für den Bau bilden soll.

Für uns ist klar: Der geplante Standort in Tornau ist aus klima- und umweltpolitischer Sicht hochproblematisch. Auch aus diesen Gründen haben wir in der Vergangenheit den Erweiterungsbau am Standort Frohe Zukunft unterstützt. Denn das Areal in Tornau liegt in einem der wenigen noch verbliebenen Kaltluftentstehungsgebiete im Norden Halles. Diese Gebiete sind – wie der Name vermuten lässt – entscheidend für die nächtliche Abkühlung der Stadt und für die Frischluftzufuhr in verdichtete Quartiere. Gerade angesichts des fortschreitenden Klimawandels, steigender Temperaturen und zunehmender Hitzebelastung ist es aus unserer Sicht unverantwortlich, solche Flächen zu versiegeln und damit dauerhaft zu verlieren.

Stadtrat Wolfgang Aldag machte das in seinem Redebeitrag deutlich: „Ich habe mich mit einigen Klimaforscher:innen dazu unterhalten und diese sagen ganz deutlich: Die Möglichkeit für Halle, Luft auszutauschen, ist aufgrund der Topographie sehr schlecht. „Deswegen ist jeder Quadratzentimeter freie Fläche vor den Toren der Stadt extrem wichtig!”

Trotz der Bedenken wurde der Aufstellungsbeschluss mit 33 Ja-, 19 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen mehrheitlich beschlossen.

Grüner wird’s nicht – oder doch? Baumpflanzungen in der August-Bebel-Straße

Für eine deutlich grünere Perspektive sorgte hingegen ein anderer Tagesordnungspunkt: Die Stadt Halle möchte sich um Fördermittel im Programm Klima III bewerben, um elf neue Straßenbäume in der August-Bebel-Straße zu pflanzen.

Die Krux? Dafür müssten 10 Parkplätze weichen. Für einige Ratsmitglieder ein Knackpunkt, für uns Grüne ein notwendiger und sinnvoller Ausgleich: „Jeder Baum in unserer Stadt ist wichtig“, sagte Stadträtin Claudia Dalbert. „Gerade in der August-Bebel-Straße ist die ÖPNV-Anbindung so gut, dass der Wegfall von Parkplätzen kein Argument sein kann.“ Straßenbäume sind mehr als Deko. Sie verbessern die Luft, spenden Schatten, steigern die Aufenthaltsqualität.

Dem Antrag wurde mehrheitlich zugestimmt.

Mehrweg statt Wegwerfware: Warum eine Take-Away-Steuer Sinn macht

Die Idee ist nicht neu – aber sie wird in Halle zunehmend konkreter: Eine kommunale Steuer auf Einwegverpackungen. Was in Städten wie Tübingen längst praktiziert wird, wurde im halleschen Stadtrat nun erneut diskutiert. Ausgangspunkt war ein Antrag der Fraktion DIE LINKE, der die Einführung einer Verpackungssteuer zum Ziel hatte.

Für uns ist klar: Die Abfallberge, die durch To-go-Angebote entstehen, sind weder ökologisch tragbar noch stadtverträglich. Doch eine einfache Steuer auf „Verpackung“ greift oft zu kurz – oder trifft auch jene, die gar nicht das Problem sind. Deshalb machte Mario Lochmann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, in der Debatte einen konkreten Vorschlag, orientiert an Leipzig: „Vielleicht sollte es statt ‚Verpackungssteuer‘ besser ‚Take-Away-Steuer‘ heißen – um deutlich zu machen, dass es nicht darum geht, alle Verpackungen zu besteuern.“

Denn die Abgabe soll gezielt dort ansetzen, wo Einwegverpackungen systematisch anfallen: bei Take-Away- und To-go-Angeboten in Gastronomie und Imbissbetrieben. Hier fällt besonders viel kurzlebiger Verpackungsmüll an – häufig ohne echte Recyclingoption und oft achtlos im Stadtbild entsorgt. Das belastet Umwelt, Stadtreinigung und Steuerzahler:innen gleichermaßen.

Entscheidend ist, dass es funktionierende Mehrweg-Alternativen gibt – und dass diese auch wirtschaftlich attraktiv sind. Deshalb sprachen wir uns dafür aus, die Einnahmen aus einer möglichen Abgabe gezielt zu verwenden, um Mehrwegangebote zu fördern. Das können Zuschüsse für teilnehmende Betriebe sein, aber auch Investitionen in Pfandsysteme oder Öffentlichkeitsarbeit für nachhaltigen Konsum.

Der Antrag wurde zur weiteren Beratung in die Ausschüsse (Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Ordnung; Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung; Hauptausschuss; Ausschuss für Finanzen) verwiesen – eine gute Gelegenheit, das Thema gründlich und praxisnah zu gestalten. Für uns ist klar: Halle braucht neue Antworten auf alte Müllprobleme. Und das geht nur, wenn wir den Wegwerf-Komfort nicht einfach akzeptieren, sondern nachhaltige Alternativen konkret unterstützen.

Wo sind all die Bäume hin? – Warum Halle endlich genauer hinschauen muss

Wie steht es eigentlich um den Schutz der Alleen und einseitigen Baumreihen in Halle? Eine einfache Frage – auf die die Stadt derzeit keine Antwort geben kann. Denn: Es gibt keine gesonderte Erfassung geschützter Baumstrukturen im Stadtgebiet. Keine Liste, kein digitales Verzeichnis, keine verlässliche Datenlage.

Wo Bäume gefällt wurden, ist nicht systematisch erfasst. Ob und wann nachgepflanzt werden muss, somit auch nicht. Wo leere Baumscheiben zurückbleiben, passiert oft: Nichts. Wo einst grüne Straßenzüge prägten, klaffen nun Lücken im Stadtbild. Für die städtische Biodiversität, das Mikroklima und die Lebensqualität ist das ein Problem – das längst systematisch angegangen werden müsste.

Wir fordern in unserem Antrag die Bestandsaufnahme aller geschützten Alleen und Baumreihen sowie eine regelmäßige Berichterstattung über Verluste, Nachpflanzungen und Lücken. Denn nur wer weiß, was fehlt, kann auch gezielt aufforsten.

Stadträtin Claudia Dalbert machte in der Debatte deutlich, worum es geht: „Die Stadt weiß nicht, wo Baumscheiben leer sind – das ist ein Problem.“ Und es ist kein kleines: Mit dem Klimawandel wächst die Bedeutung jedes einzelnen Stadtbaums. Bäume spenden Schatten, kühlen den Straßenraum, filtern die Luft, bieten Lebensraum für Tiere – und helfen, Hitzeperioden abzumildern. Eine strategische Pflege und Planung dieses grünen Netzes ist also kein Nice-to-have, sondern ein Muss für eine zukunftsfähige Stadt. Leider fand unser Antrag keine Zustimmung im Stadtrat und wurde mehrheitlich abgelehnt.

Modellstadt für Cannabis? Was wirklich hinter dem Stadtratsbeschluss steckt

Ein Thema, das polarisiert, das Headlines erzeugt und das die gesellschaftspolitische Debatte seit Jahren prägt, hat nun auch den halleschen Stadtrat erreicht: Cannabis. Die Frage, die den Stadtrat am Mittwoch eine Stunde lang beschäftigte war: Soll sich Halle beim Bund als Modellregion für die kontrollierte Abgabe von Cannabis bewerben?

Die Antwort: Ja – wenn es nach einer Mehrheit im Stadtrat geht. In einem fraktionsübergreifenden Antrag von FDP/FREIE WÄHLER, Volt/MitBürger, DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde genau das gefordert. Und nach einer intensiven Debatte mit durchaus gegensätzlichen Positionen wurde der Antrag mit 30 Ja-Stimmen bei 25 Nein-Stimmen angenommen.

Doch anders als viele Debattenbeiträge es vermuten ließen, geht es nicht um die pauschale Freigabe, sondern um ein klar reguliertes Modell, eingebettet in ein wissenschaftliches Forschungsvorhaben, um systematisch zu untersuchen, wie eine legale, nichtkommerzielle Abgabe von Cannabis unter Auflagen in der Praxis funktioniert: Welche Auswirkungen hat sie auf Konsumverhalten, Schwarzmarkt, Gesundheitsrisiken, Kriminalität und Präventionsarbeit?

Stadträtin Michelle Brasche machte im Stadtrat deutlich, worum es wirklich geht: „Wir möchten eine kontrollierte, regulierte Abgabe. Mit einem Modellprojekt stellen wir außerdem sicher, dass das Cannabis nicht gestreckt oder verunreinigt ist.“

Denn der Status quo – also der Schwarzmarkt – ist alles andere als harmlos. Verunreinigte oder mit synthetischen Wirkstoffen gestreckte Produkte bergen massive gesundheitliche Risiken. Und die repressive Drogenpolitik der letzten Jahrzehnte hat vor allem eines geschafft: Menschen in die Illegalität zu drängen, anstatt sie zu schützen oder aufzuklären.

Das Modellprojekt, an dem Halle nun teilnehmen will, würde nur unter strengen Bedingungen umgesetzt: mit wissenschaftlicher Begleitung, festen Verkaufsstellen, Schulungen für Fachpersonal, begleitender Prävention und Monitoring. Die Teilnahme ist freiwillig, auf Erwachsene beschränkt und soll neue Erkenntnisse liefern – auch für eine künftige bundes- und EU-weite gesetzliche Regelung.

Sitzung vorbei – und jetzt? Unser Fazit

All diese Themen haben eines gemeinsam: Sie betreffen uns und unsere Stadt ganz konkret. Unsere Straßen, unsere Luft, unsere Gesundheit, unser Zusammenleben. Nichts davon ist abstrakt, nichts davon „nur Symbolpolitik“. Es geht ums Ganze – und um die vielen Details, aus denen sich ein gutes Morgen zusammensetzt.

Ob JVA im wichtigen Kaltluftentstehungsgebiet, Bäume statt Blech, saubere Mehrwegstrategien oder reguliertes Cannabis: Die Entscheidungen, die hier getroffen wurden, sind mehr als nur Tagesordnungspunkte. Sie sind Wegweiser. Sie zeigen: Unsere Stadt steht an vielen Stellen vor echten Richtungsfragen. Wollen wir Flächen verplanen – oder sie fürs Klima schützen? Wollen wir Müll weiter hinnehmen – oder endlich Alternativen fördern? Wir als Bündnisgrüne Fraktion haben klare Antworten gegeben. Nicht immer bequem. Nicht immer mehrheitsfähig. Aber fundiert, konsequent – und mit dem festen Ziel, diese Stadt enkelfähig zu machen. Denn was Halle heute entscheidet, ist morgen schon Realität – oder eben nicht, wenn sich niemand dafür einsetzt. Und genau deshalb bleiben wir dran.