Gemeinsamer Antrag mit SPD-Fraktion sowie der Fraktion DIE LINKE/Die PARTEI zur Erarbeitung eines wohnungspolitischen Konzeptes für die Stadt Halle (Saale)

Beschlussvorschlag:

  1. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, im Dialog mit den städtischen Wohnungsgesellschaften, den privaten Wohnungsunternehmen und weiteren relevanten Akteuren ein wohnungspolitisches Konzept für die Stadt Halle zu erarbeiten, das u. a. Handlungsschwerpunkte und -bedarfe für eine vielfältige und soziale Wohnraumversorgung benennt.
    Im Rahmen der Erarbeitung sollen u. a. folgende Eckpunkte erörtert werden:
  • Die Notwendigkeit einer differenzierten Sanierungspolitik, die unter Maßgabe einer wirtschaftlichen Wohnungspolitik nicht nur auf hochwertige Sanierungen setzt.
  • Die Beachtung eines sozialverträglichen Umgangs mit Mietanpassungen, Modernisierungsumlagen etc.
  • Die Berücksichtigung von AsylbewerberInnen und Asylberechtigten als einkommensschwache Haushalte mit erschwertem Zugang zum Wohnungsmarkt
  • Die Beachtung der Herausforderungen von alters-, behinderten- und familiengerechter sowie energetischer Sanierung
  • Die Notwendigkeit einer vorausschauenden städtischen Flächen- und Liegenschaftspolitik
  • Die Berücksichtigung von sich überlagernden Anforderungen und Zielkonflikten
  • Die Abstimmung des wohnungspolitischen Konzeptes mit den Ergebnissen und Zielen des ISEK, um Wohnungspolitik als Instrument der Stadtentwicklung zu nutzen
  • Die Möglichkeit der Etablierung von Ziel- und Kooperationsvereinbarungen zwischen der Stadt sowie ihren städtischen Beteiligungen und privaten Wohnungsunternehmen
  1. Das dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorzulegende Konzept ist mit übergeordneten Leitlinien und davon abgeleiteten Instrumenten bzw. Maßnahmen zu untersetzen, welche auf Basis eines andauernden Monitorings regelmäßig evaluiert und gegebenenfalls angepasst oder erweitert werden. Für die Evaluation der Inhalte des Konzeptes wird die Einbindung bzw. Nutzung eines Gremiums zur städtischen Wohnungspolitik, z.B. des „Netzwerks Stadtentwicklung“ angeregt.
  2. Bei der Erstellung des Konzeptes ist das Instrument der flexiblen Mietpreis- und Belegungsbindung zu berücksichtigen (siehe Antrag VI/2015/00999).
  3. Das wohnungspolitische Konzept ist dem Stadtrat zu seiner Sitzung im September 2016 zur Beschlussfassung vorzulegen. Der Ausschuss für Stadtentwicklung ist bei jeder Sitzung über den Fortgang der Erarbeitung zu unterrichten.

gez. Johannes Krause
Fraktionsvorsitzender
SPD-Fraktion

gez. Dr. Inés Brock
Fraktionsvorsitzende
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

gez. Dr. Bodo Meerheim
Fraktionsvorsitzender
DIE LINKE/Die PARTEI

Begründung:

Wohnungspolitik ist eine wichtige lokale Querschnittsaufgabe, die nicht zuletzt die soziale Entwicklung einer Großstadt wie Halle beeinflusst und damit dazu beitragen kann, verschiedene Formen der Segregation zu verhindern bzw. zu vermindern. Aus diesem Grund ist es elementar, dass die Stadt Halle, insbesondere in Abstimmung mit den kommunalen und privaten Wohnungsunternehmen vor Ort, ein wohnungspolitisches Konzept mit Leitlinien entwickelt, an denen das eigene Handeln nachhaltig ausgerichtet werden kann.

War Halle in den neunziger Jahren noch eine besonders schnell schrumpfende Stadt, weisen aktuelle Bevölkerungsprognosen in Richtung einer Stabilisierung der Bevölkerungszahl. In der Innenstadt schreitet die Aufwertung von Wohnblöcken voran, während in den Plattenbau-Großsiedlungen neben Aufwertungen auch weitere Rückbauten nötig sind. Der Aufstellung eines wohnungspolitischen Konzeptes muss daher eine Analyse des Ist-Zustandes vorausgehen, aus der Handlungsschwerpunkte abgeleitet werden können. Die Trendumkehr von langjähriger städtischer Schrumpfung hin zu einer verhaltenen Stabilisierung der Einwohnerzahlen ist des Weiteren ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit der Evaluation des Konzeptes. Dieses muss daher in regelmäßigen Abständen mit den realen Entwicklungen des Wohnungsmarktes abgeglichen sowie an die Anforderungen, die aus anderen Problemlagen und Chancen erwachsen (z.B. soziale Problemlagen, steigende Einwohnerzahlen etc.), angepasst werden.

Auch wenn Wohnungspolitik gesamtstädtisch gedacht werden muss, ist es notwendig, differenzierte Instrumente für die unterschiedlichen Herausforderungen der städtischen Quartiere zu entwickeln. Um z. B. Phänomene der sozialen Segregation zu vermindern, muss auf der einen Seite bezahlbarer Wohnraum in beliebten Innenstadtlagen erhalten bleiben. Dafür bedarf es auch einer bedarfsorientierten Sanierungspolitik, die zu einem differenzierten, qualitativen Spektrum an Wohnraum führt. Auf der anderen Seite gilt es, die Attraktivität von Großsiedlungen, in denen sich soziale Problemlagen leicht verdichten können, auch für einkommensstärkere Haushalte zu steigern. Gleichzeitig darf es in diesen Quartieren nicht zu einer überproportionalen Unterbringung von Flüchtenden und ärmeren EU-Einwanderern kommen.

Die Wohnungsunternehmen stehen des Weiteren vor der Herausforderung, ihre Bestände im Rahmen von Sanierungen und Aufwertungen den Anforderungen des demographischen Wandels sowie energetischen Vorgaben anzupassen. Im strategisch orientierten Austausch der Akteure liegt hier nicht zuletzt die Chance z.B. einer altersbezogenen Segregation entgegenzuwirken.

Die Entwicklung des wohnungspolitischen Konzeptes sollte daher sowohl bestehende Instrumente als auch die Inhalte und Ergebnisse breiterer Strategien und Prozesse der Stadtentwicklung (z.B. des Themengebiets „Wohnen“ des ISEK) einbeziehen, um die vielfältigen Herausforderungen mit wohnungspolitischem Bezug bearbeiten zu können.

Die kommunalen Wohnungsgesellschaften leisten auf Basis Ihres Auftrages bereits einen umfassenden Beitrag für eine vielfältige und soziale Wohnraumversorgung auf dem städtischen Wohnungsmarkt. Auch wenn sie als Teil des „Konzerns Stadt“ eine zentrale Rolle bei der Verwirklichung von entsprechenden Leitlinien durch Maßnahmen spielen, gilt es, das Konzept in einem breiten, dialogischen Prozess zu entwickeln, der auch private Akteure einbindet. Zusätzlich kann die Beteiligung einer breiteren Öffentlichkeit in bestimmten Phasen dabei helfen, Handlungsschwerpunkte und –bedarfe lebensnah zu gestalten.

Die jüngsten Prozesse der Erarbeitung von wohnungspolitischen Konzepten in Leipzig und Potsdam können sowohl im Hinblick auf Ihre dialogische Ausrichtung als auch auf die vorliegenden Ergebnisse als Vorbilder herangezogen werden. Die wiederholte Novellierung
des wohnungspolitischen Konzeptes der Stadt Leipzig seit 1994 (ca. aller 5 Jahre) zeigt auch, dass ein solches Konzept in allen Phasen der Entwicklung eines Wohnungsmarktes als sinnvolle Handlungsorientierung für alle Akteure kann. Des Weiteren bietet es die Möglichkeit, notwendige Anpassungen in kürzeren Abständen vorzunehmen, als es beispielsweise der längerfristige Zeithorizont eines integrierten Stadtentwicklungskonzeptes ermöglicht.