Antrag zur Durchführung eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens

Gemeinsamer Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion DIE LINKE. und der FDP-Stadtratsfraktion

Der Stadtrat beschließt die Durchführung eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens. Ziel ist es festzustellen, dass der Stadtrat der Stadt Halle (Saale) durch die von der Stadtverwaltung unterlassene Information über das Vorliegen einer Verfügung des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt zur Schulentwicklungsplanung der Stadt vom 05.07.2011 und die dadurch eingetretene Bestandskraft des betreffenden Bescheides in seinen durch die Gemeindeordnung und das Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt normierten Rechten verletzt wurde. Der Vorsitzende des Stadtrates wird mit der Einreichung der Klage beim Verwaltungsgericht Halle beauftragt.

Begründung

Mit Stadtratsbeschluss vom 27.01.2010 hat der Stadtrat die Schulentwicklungsplanung (SEPL) der Stadt Halle (Saale) für die Jahre 2009/10 bis 2013/14 (Vorlagen-Nummer V/2009/08287) beschlossen. Für den Bereich der Förderschulen wurde vom Stadtrat dabei festgelegt: „Der Stadtrat der Stadt Halle (Saale) beauftragt die Verwaltung im Rahmen der Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung für das Schuljahr 2011/12 eine Bedarfs- und Auslastungsanalyse für folgende Schulen zu erstellen ( : . . ). Die Förderschulen aller Förderschwerpunkte unter Berücksichtigung der Schülerzahlentwicklung, prognostizierter Sanierungskosten und neuer pädagogische Konzepte des Landes und mit der Zielstellung durch eine optimale Nutzung der vorhandenen Raumressourcen Standortentscheidungen zu treffen.

Das Landesverwaltungsamt hat der Planung mit Schreiben vom 31.03.2010 zugestimmt und für den Bereich der Förderschulen folgende Auflage erteilt:

„ Der Beschluss des Stadtrates zur Schulentwicklungsplanung erfordert eine Überprüfung der Schulstandorte der Förderschulen für Lernbehinderte. Damit sind verbindliche Standortentscheidungen im Rahmen der Fortschreibung zum Schuljahr 2011/12 zu treffen. Die Stadt Halle hat bis zum 31.12.2010 eine eigene Zielsetzung zur Darstellung der Bedarfe an Schulen für Lernbehinderte vorzulegen.“

Gegen diese Auflage bestand grundsätzlich die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln, allerdings wurde der betreffende Bescheid erst weit nach Ablauf der Klagefrist dem Stadtrat für eine Bildungsausschusssitzung am 09.11.2010 zur Kenntnis gegeben.

Erstmals für die Sitzung des Bildungsausschusses am 01.06.2010 wurde in Umsetzung des Stadtratsbeschlusses vom 27.01.2010 von der Stadtverwaltung eine Vorlage „Fortschreibung Schulentwicklungsplanung für Förderschulen in der Stadt Halle (Saale) für das Schuljahr 2011/12 (Vorlage: V/2010/08901)“ vorgelegt, die inhaltlich auf einer von der Verwaltung durchgeführten Bedarfs- und Auslastungsanalyse beruht. Die Vorlage wurde in der Folge in einer Beratung des Bildungsausschusses am 12.10.2010 von der Stadtverwaltung wieder zurückgezogen und ist inzwischen im Ratsinformationssystem nicht mehr verfügbar.

Für die Sitzung des Bildungsausschusses am 09.11.2010 wurde daraufhin eine Vorlage „Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung der Stadt Halle (Saale) für das Schuljahr 2011/12 (Vorlagen-Nummer: V/2010/09214)“ mit einem einzigen Beschlusspunkt zur Schließung der Förderschule am Jägerplatz eingebracht, die nach zahlreichen Ablehnungen in den Fachausschüssen auch in der Stadtratssitzung am 25.05.2011 mehrheitlich abgelehnt wurde.

Zwischenzeitlich hatte der Stadtrat im Januar 2011 mit Beschluss zum  Antrag V/2010/09361 festgelegt, dass die Stadtverwaltung beauftragt wird, „eine umfassende Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung in der Stadt Halle (Saale) für das Schuljahr 2012/13, die eine Darstellung aller Schulformen enthält, zu erarbeiten und dem Bildungsausschuss im September 2011 zur Vorberatung vorzulegen.

Mit Bescheid vom 05. Juli 2011 wurde nunmehr durch das Landesverwaltungsamt in einem Bescheid festgelegt, dass der Standort der Förderschule für Lernbehinderte am Jägerplatz aufzuheben ist und dazu die Schließung der Schule in eine Fortschreibung der SEPL zum Schuljahr 2012/13 aufgenommen werden soll. Die Schule selbst soll zum 31.07.2012 geschlossen werden. Die durch den Rat festgestellte Fortschreibung der SEPL soll bis zum 31.12.2011 vorgelegt werden.

Auch gegen diesen Bescheid bestand die Möglichkeit der Klageerhebung, allerdings wurde der Stadtrat über die Existenz des betreffenden Schreibens erst nach Ablauf der Klagefrist in der Sitzung des Bildungsausschusses am 09.08.2011 informiert. Das betreffende Schreiben erhielten die Fraktionen per Email am 10.08.2011. Auf eine fristwahrende Klageeinreichung und eine zeitnahe Herbeiführung einer Entscheidung im Rat hat die Stadtverwaltung verzichtet.

Nachdem zunächst auf mündliche Nachfrage in der Hauptausschusssitzung am 24.08.2011 von der Oberbürgermeisterin mitgeteilt wurde, dass der Stadtrat eher hätte informiert werden müssen, wurde dem Stadtrat in seiner Sitzung am 31.08.2011 in einer erweiterten Stellungnahme lediglich mitgeteilt, aus welchen Gründen die Stadtverwaltung ein Klageverfahren nicht für notwendig erachtet hat. Hintergründe für eine Nichtbefassung des Rates mit der Entscheidung zum weiteren Vorgehen wurden nicht mitgeteilt.

Die Schulentwicklungsplanung für die Stadt Halle (Saale), d.h. die Aufstellung eines Schulentwicklungsplanes und deren Fortschreibung ist der Stadt als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises gesetzlich zugewiesen. Grundsätzlich erledigt die Oberbürgermeisterin Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises nach § 63 Gemeindeordnung LSA zwar in eigener Zuständigkeit, allerdings gilt dies nur, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. § 22 Absatz 2 Satz 2 Schulgesetz LSA enthält eine solche gesetzliche Einschränkung, indem festgelegt wurde, dass Schulentwicklungspläne durch Stadtratsbeschluss festgestellt werden müssen.

Mit der Nichtbeteiligung des Stadtrates an der Entscheidung über den Verzicht auf Rechtsmittel hinsichtlich des Bescheides des Landesverwaltungsamtes vom 05.07.2011 wurden nach Auffassung der antragstellenden Fraktionen Rechte des Stadtrates verletzt. Vorgeschlagen wird daher, im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens zu klären, in welcher Form eine Einbeziehung des Stadtrates bei Entscheidungen der Stadtverwaltung, die die Aufgabe Schulentwicklungsplanung betreffen, notwendig ist.

Status

in Beratung